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Bericht erstellt von Heiko Semmel

Hessische Preisrichtervereinigung, Preisrichtergruppe Hanau

Schriftführer im Thüringer & Separator Club Hessen

 

Das Thüringer Kaninchen gehört zu den beliebten und viel gezüchteten Rassen. Für die Liebhaber ist die Verbindung der Deckfarbe mit den Abzeichen eine Augenweide. Nicht umsonst ist die Thüringer - Farbe bei Widdern, Holländern, Schecken, Satin, Farbenzwergen, um nur ein paar zu nennen, als Farbenschlag anerkannt. Leider gibt es recht unterschiedliche Meinungen über das korrekte Erscheinungsbild dieser Rasse. Dies sieht man anhand der unterschiedlichen Bewertungen der Rassenmerkmale mancher Tiere.

Auch regional werden verschiedene Farben gezüchtet.

Aus diesem Grund möchte ich in meinem Bericht das Thüringerkaninchen vorstellen.

 

Mein Bericht habe ich in folgende Abschnitte unterteilt:

1. geschichtliche Entstehung

2. Erscheinungsbild

            2_1 Gewicht

            2_2 Körperform und Bau

            2_3 Fell

            2_4 Deckfarbe

            2_5 Abzeichen

            2_6 Unterfarbe

            2_7 Pflegezustand

3. Schlußbetrachtung

 

1. geschichtliche Entstehung:

Das Thüringer Kaninchen kommt, wie selten eine andere Rasse, aus dem Land, dessen Namen es trägt.

David Gärtner (1841-1927), Lehrer in Waltershausen, einer kleinen Gemeinde in Thüringen, hat diese Rasse um etwa 1895 aus Kreuzungen von Russen- und Silberkaninchen, sowie Belgischen Riesen gezüchtet.

Über die Entstehung dieser Rasse sind wir ziemlich gut unterrichtet durch Emil Piegsa, der in der Kaninchenzucht weit bekannt ist. Gärtner wollte ursprünglich aus den genannten drei Rassen ein größeres Schwarzsilber Kaninchen und ein schwereres Russen Kaninchen züchten.

Dies gelang ihm auch nach mehrjähriger Zucht. 1900 stellte er die ersten Zuchtprodukte mit einer Masse von 3,5 bis 4,5 kg auf der Drachenfels - Schau in Leipzig aus. Er stieß hierbei auf heftigen Widerstand des Russenzüchter Clubs und der Silberzüchter.

Die Neuzüchtung Gärtners wurde als Kreuzungsprodukt abgelehnt. Man kann das vielleicht verstehen, wenn man sich daran erinnert, dass bei uns in Deutschland um die Jahrhundertwende der Gedanke der Rassenkaninchenzucht erst aufgekommen war. Man lehnte daher alles ab, was nicht "rassenrein" erschien.

Zehn Jahre später änderten sich die Ansichten. Zu dieser Zeit konnten sich Friedrich Nagels Deutsche Großsilber durchsetzen und wie Emil Piegsa schreibt - " das ernten, was David Gärtner gesät hatte".

Bei seinen Zuchtversuchen war David Gärtner eine dritte Frucht in den Schoß gefallen. Von ihm völlig ungewollt befand sich in einem seiner Würfe ein gemsfarbiger Rammler, dessen Fellfarbe ihm gefiel.

Er verpaarte ihn an dessen Mutter zurück und erhielt weitere gemsfarbige Kaninchen. Der neuen Rasse gab er den Namen Chamois (franz.: Le Chamois = die Gemse ). 1901 erschienen seine ersten Berichte, die für die neue Rasse warben. Daraufhin wurde 1901 der Züchterverein Walthershausen gegründet, an welchem unter anderem Gärtner und Piegsa beteiligt waren. Dieser Verein nahm sich der Gemsenzucht an und stellte ihre Entwicklung auf eine breite Grundlage.

1905 gründete man auf Piegsas Anregung den ersten Spezialzüchterclub, der den Namen Chamois Club Waltershausen erhielt.

1905 und 1906 stellten die Waltershausener Züchter erneut ihre Rasse aus und zeigten sie in einer größeren Zahl in Leipzig.

Aber Gärtner und seine Getreuen wurden erneut enttäuscht, denn auch diese Neuzüchtung wurde abgelehnt. Man züchtete diese und jene Mängel weg. So kamen die gemsfarbigen Kaninchen zur Bundesschau nach Hannover und wurden 1908 als Thüringer Gemsen anerkannt. Die erheblichen Geburtswehen hatten die Thüringer hinter sich, ihre Zukunft schien gesichert.

Aber es gab neue Schwierigkeiten, so versuchten Züchter immer wieder auf eigene Faust die Rasse zu verbessern. Sie kreuzten Widder- und Hasenkaninchen ein. Heute noch treten diese Rassenmerkmale ( breite Ohrenstellung, Andeutung einer Krone, schnittiger Typ, hohe Stellung) immer wieder in Erscheinung.

Karl Maul, Diemitz versuchte es mit grauen Riesen und Hasenkaninchen und so entstand neben dem kleinen Waltershausener Typ die sogenannte Diemitzer Gemse mit einem Gewicht von bis 5 kg.

Anfang der 30`er Jahre vereinheitlichte man Form und Größe, so dass nur noch der mittelgroße Typ, wie er heute ist, zugelassen wurde.

Die Anerkennung als Wirtschaftsrasse wurde den Thüringern versagt. Dadurch gab es keine Förderung während der Zeit des Krieges. Den 2. Weltkrieg überlebten daher nur wenige Tiere. Mit diesen wurde in der Folgezeit in mühseliger Kleinarbeit diese Rasse wieder aufgebaut.

Bereits 1957 standen auf einer Schweizer Sonderschau wieder 150 Tiere von meist überdurchschnittlicher Qualität.

 

2. Erscheinungsbild:

Das Gewicht entspricht einer leichteren Mittelrasse. Das Normalgewicht beträgt 3,5 kg, das Mindestgewicht 2,5 kg und das Höchstgewicht 4,25 kg.

Am eindrucksvollsten ist ein Thüringer Kaninchen mit einem Idealgewicht von 3,8 bis 4,0 kg.

2. Körperform und Bau:

Das Tier hat einen walzenförmigen, gedrungenen, gut proportionierten Körper mit einer breiten Brust und Hinterpartie, die schön geschwungene Rückenlinie ist hinten gut abgerundet.

Der kurze, breite Kopf liegt dicht, ohne Hals am Körper an.

Die kräftigen Läufe sind mittellang und die Ohren fleischig, zur Größe des Körpers passend (11,5 bis 12 cm).

Bei älteren Häsinen ( ab dem 13. Lebensmonat) ist eine kleine gut geformte Wamme zulässig.

Die Läufe sollen kräftig und mittellang sein. Vor allem auf ersteres sollte großer Wert gelegt werden.

In Bezug auf die Körperform kann man von den Thüringern schon einiges erwarten. Eine unrunde Hinterpartie sollte in den meisten Zuchten der Vergangenheit angehören. Natürlich gibt es auch Fehler, mit denen Thüringer Kaninchen behaftet sein können. Große Probleme bereiten noch die Ohren. Leider sind schöne fleischige, offen getragene Ohren noch recht selten. Weitere Fehler, mit denen ein Thüringer behaftet sein kann sind lose Schulterblätter, leichter Knick in der Rückenlinie hinter den Schulterblättern, eine leicht nach oben gewölbte Rückenlinie und abstehende Schenkel.

3. Fell:

Dies ist bei den Thüringern etwas die "Problemposition".

Das mittellange Fellhaar (etwa 3cm) ist äußerst dicht in der Unterwolle, mit gleichmäßig guter, nicht zu grober Begrannung.

Die Ohren sollen gut behaart sein.

Die Thüringer Kaninchen sind bekannter weise ein vorzüglicher Fellträger.

Ich möchte hier aber auch auf Probleme hinweisen, die in dieser Position bei einigen Tieren auftreten können.

Zum einen sind dies die verstümmelten oder gar fehlenden Spürhaare, zum anderen die schlecht behaarten Ohren.

Erst einmal zu den verstümmelten bzw. fehlenden Spürhaaren. Die Tiere werden mit einwandfreien Spürhaaren geboren.

Im Laufe des Wachstums und der einsetzenden Haarung rollen sich die Spürhaare auf und brechen schließlich ab. Dieses Phänomen kennen wir zu genüge von den Rexen. Große Probleme bereiten auch die schlecht behaarten Ohren.

Gerade die Rückseiten der Ohren weisen vielfach eine mangelnde Behaarung auf. Hierauf sollte man bei der Bewertung der Thüringer achten und bei Vorhanden sein mit entsprechendem Punktabzug ahnden.

 4. Deckfarbe:

Als Deckfarbe gilt die harmonische Verbindung der gelb - rötlich braunen Deckfarbe mit dem dunkelbraunen Grannenhaar, das als rußartiger Schleier gleichmäßig auf der Decke liegt.

Wie bei einigen anderen Rassen auch ist die Deckfarbe nicht mit einer einfachen Farbbeschreibung braun, gelb, rot zu erklären.

Beim Thüringer haben wir es zunächst mit der Grundfarbe zu tun, über der dann ein rußiger Schleier liegt. Beides gemeinsam ergibt die Deckfarbe. Besonders wertvoll ist die Deckfarbe, wenn sie vom Kopf bis zur Blume hin gleichmäßig ist. Dies bedeutet, dass die Farbe am Kopf mit der auf dem Rücken identisch sein soll. Feststellen läßt sich dies leicht, indem man die Ohren etwas zur Seite drückt und die Farben vergleicht. Ist der Schleier etwas schwach, so sprechen wir von einem etwas helleren Tier, ist er dagegen stark, so sprechen wir von einem etwas dunkleren Tier.

Genug rußfarbige Grannen sollten die Tiere allerdings haben, denn das macht ein Thüringer aus.

Im zur Zeit geltenden Standard werden aufgrund dieser Erscheinungen drei Schattierungen zugelassen. Dort heißt es: Leichte Abweichungen nach hell oder dunkel sind gestattet, doch ist den mittelfarbigen Tiere der Vorzug zu geben. Zu dunkle Tiere beginnen von der Blume über die Hinterpartie hoch zu dunkeln, wobei dies wenig oberhalb der Blume noch nicht so verwerflich ist.

Die Deckfarbe in einer Ausstellungshalle zu beurteilen ist sehr schwer, da hier die Lichtverhältnisse eine große Rolle spielen.

Die Bauchdeckfarbe ist dunkel (rußartig).

Die Augen sind braun, die Krallen dunkel hornfarbig.

Leichte Fehler:

Þ hell- oder fahlgelbe bzw. nicht angegebene Deck- und Bauchdeckfarbe

Þ schwacher, flockiger oder etwas viel Rußanflug

Þ etwas dunkler Kopf

Þ leichte Durchsetzung der Deckfarbe mit weißen Haaren

schwere Fehler:

 

5. Abzeichen:

Leichte Fehler:

schwere Fehler:

6 Unterfarbe:

Leichte Fehler:

schwere Fehler:

7. Pflegezustand:

Ich möchte auf diesen Punkt nicht weiter eingehen, denn hier gelten die allgemeinen Bestimmungen im Standard, die für jede Rasse gleich sind.

 

3. Schlußbetrachtung:

 

Thüringerzucht macht sehr viel Freude, weil man es hier mit einer sehr gut durch gezüchteten Kaninchenrasse zu tun hat, bei der durch entsprechende Selektion genügend gute Tiere unter den Nachkommen zu erwarten sind.

Für die Zucht der Thüringer Kaninchen gibt es sicherlich keine Patentrezepte. In den meisten Lehrbüchern findet man den Vorschlag mittel X mittel zu verpaaren, um somit die besten Ergebnisse zu erhalten. Als Faustregel sollte man die Formel im Hinterkopf behalten. Jedoch darf man Tiere mit extremen Gegensätzen nicht miteinander verpaaren ( bedeutet ein sehr helles Tier mit einem extrem dunklen Tier ).

Für die richtige Auswahl der Zuchtpaare benötigt man vor allem Erfahrung und ein gewisses Fingerspitzengefühl. Eine unablässige und genaue Zuchtbuchführung ist ebenfalls nötig um schöne und gleichmäßige Tiere zu erhalten. Gerade bei Fremdeinpaarungen spalten die Tiere erheblich auf und die Nachzucht wird etwas bunter. Wegen ihrer Frohwüchsigkeit und guten Muttereigenschaften bereitet auch die Haltung der Thüringer in einem mittelrassen typischen Ambiente kaum Probleme. Die Tiere sind so frohwüchsig, dass man mit April und Maiwürfen durchaus während der Schausaison zurechtkommt.

Gerade die Thüringerfarbe ist nicht ganz unempfindlich gegen Außeneinflüsse. Daher sollte der Züchter seine Kaninchen mit Bedacht ausstellen und nicht von Schau zu Schau jagen und noch hohe Bewertungen erwarten.

Der Züchter erlebt beim Thüringerkaninchen eine spannende und abwechslungsreiche Zucht.

 

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